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In Deiner Haut – Virtual Reality und Aktivismus


Mit iAnimal hat Animal Equality ein vielbeachtetes Virtual Reality-Projekt geschaffen. Was dahinter steckt, erforscht Penelope Kemekenidou an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier gibt sie Einblick in die Wirkung von Virtual Reality und das Potential für Aktivismus.

Die meisten von uns sind im digitalen Zeitalter über viele Dinge sehr gut informiert – über die Art und Weise, wie unsere Kleidung produziert wird, unser Essen geerntet und verarbeitet wird, oder auch wie eigentlich Tiere „leben,“ die in Massentierhaltung gehalten werden. Wir sehen diese Dinge, oder lesen über sie, wir hören Geschichten von Freunden, und die meisten von uns finden das tatsächlich alles schrecklich. Man könnte also meinen, dass wir eigentlich alle Fair-Trade-Kleidung kaufen müssten und vor allem kein Fleisch essen sollten – wäre ja nur logisch, oder?

Es ist dann aber doch so, dass wir über unfaire Arbeitskonditionen und Zwangsarbeit reden, während wir gleichzeitig das Discount-T-Shirt kaufen und in unseren Burger beißen, wohlwissend, woher das Fleisch kommt. Die Frage, die sich nun stellt, ist also: Wenn wir das alles wissen, was hält uns dann davon ab, unser Verhalten zu ändern?

Wenn es so wäre, dass wir nur etwas wissen müssen, um besser zu handeln, wäre die Welt schon längst „perfekt“.

Wenn also reines Wissen nicht immer ausreicht, was ist es dann, das uns dazu bringt, unser Verhalten zu ändern? Die Antwort ist so einfach, wie sie banal scheint: Das, was unser Verhalten am meisten ändert, ist Fühlen. Ein Fakt, der auch auf virtuelle Welten übertragbar ist und durch die Intensität, die Virtual Reality (VR) mit sich bringt, um einiges verstärkt wird.

In der Haut eines anderen stecken

Mel Slater von der University of Barcelona testete VR, um gegen Rassismus vorzugehen: Nachdem die rassistischen Tendenzen der Teilnehmenden gemessen wurden, bekamen einige von ihnen eine speziell angefertigte Ausrüstung, Motion Capture Suit genannt, und wurden in eine virtuelle Welt versetzt, in der ihre Hautfarbe dunkler war als ihre wirkliche. Durch spezielle Vorrichtungen konnten sie sich in dieser Welt vor einem animierten Spiegel bewegen, wobei ihr nun dunklerer Körper jede Bewegung exakt nachahmte. Nach dieser Erfahrung wurden alle Test-Teilnehmenden wieder auf rassistische Tendenzen geprüft. Bei den Teilnehmenden, die zuvor die VR-Erfahrung gemacht hatten, konnten rassistische Ressentiments messbar reduziert werden.

Quelle: BBC

Im Virtual-Reality-Game “Compliment,” das von einer amerikanischen Studentin designt wurde, stecken die Spielenden in der Haut einer jungen Frau, die durch die Straßen von Brooklyn läuft. Sie werden dabei genauso oft von Männern angesprochen, angeflirtet oder verfolgt, wie es auch in der Realität im Durchschnitt passiert. Dieses Experiment, bei dem junge Männer diese sonst meist weibliche Erfahrung machen können, zielt darauf ab, Männer nachempfinden zu lassen, was genau das Problem mit “catcalling” ist. Sie sollen verstehen, dass es sich nicht wie ein Kompliment anfühlt, sondern Belästigung ist. Ein Spieler gibt nach der Erfahrung zu, dass ihm diese Erfahrung das Ganze näher gebracht hat, als jedes Gespräch darüber: “Ich wusste schon vorher, dass es schlimm ist, aber erst jetzt kann ich auch fühlen, was genau damit gemeint ist.”

Quelle: Lucy Bonner

Das Projekt iAnimal von Animal Equality setzt genau da an – was erklärt besser, warum ein Verzicht auf Fleisch wichtig ist, als die Sichtweise eines Tieres, das in diesen Fabriken leben und sterben muss? Das zu fühlen sagt mehr als tausend Worte.

Aktivisten haben schon immer versucht, Menschen Erfahrungen näher zu bringen, denn das ist es, was am Ende einen Wandel ausmacht. Ob durch Adbusting-Kampagnen, Live Action oder Dokumentationen – der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Diese Arten von Aktivismus sind und werden auch immer essentieller Bestandteil von Kampagnen bleiben. Live-Aktionen sind fantastisch, das Publikum ist aber immer begrenzt.

Virtual Reality wirkt

Virtual Reality bringt diese beiden Punkte für Aktivisten sehr effizient zusammen – die intensiven Erfahrungen, die VR-Erlebnisse bieten, Immersion genannt, ermöglichen es Menschen, sich mehr denn je in andere einzufühlen. Social-Media-Netzwerke haben die Möglichkeit, eben diese Erfahrungen auch an Menschen zu bringen, die sich nicht in erster Linie mit der Thematik auseinandersetzen. VR ist somit ein ideales Werkzeug für Aktivismus, denn viele Menschen können auf einer emotionalen Ebene erreicht werden. Ein Sponsor von Charity:Water, der schon 60.000$ zugesagt hatte, spendete nach der VR-Erfahrung 400.000$.

Virtual Reality ist damit jetzt schon groß im Spiel, wenn es um soziale Fragestellungen geht – ein Fakt, der auch den VR-Herstellern selbst nicht entgangen ist: Oculus Rift startete erst kürzlich die VR for Good Campaign und investierte eine Million Dollar in die Produktion von VR-Filmen für gute Zwecke.

Gastbeitrag von Penelope Kemekenidou

Penelope Kemekenidou ist Doktorandin am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Ihre Forschungsschwerpunkte sind dabei Aktivismus, Artivism und Virtual Reality. Zudem ist sie im Vorstand von Gender Equality Media e.V., einem Verein gegen Sexismus in deustchen Medien. Die bekannteste Kampagne des Vereins ist StopBildSexism, eine Kampagne gegen Sexismus in der Bild-Zeitung.


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